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Darf`s ein bisschen mehr sein - bohren ohne medizinische Notwendigkeit

Amalgam versus Keramikinlay

Brisante Studie der Universität Zürich


Im Auftrag der ETH Zürich besuchte ein junger Medizinstudent genau 180 Praxen von Zahnärzten im Großraum Zürich. Das Besondere war: Bei der Hälfte der Termine erschien er als gepflegter, Erfolg ausstrahlender Mann im edlen Anzug und ausgestattet mit Accessoires, wie teurem Smartphone, die Status symbolisierten. Den Medizinern sagte er, er sei Übersetzer bei einer Bank. Bei den anderen Praxenbesuchen schlurfte er dann in Jeans und Kapuzenpullover auf den Behandlungsstuhl und gab sich als Übersetzungstudent im Praktikum aus.

Ein zweites Testkriterium des wissenschaftlichen Experiments war: Sowohl als schicker Übersetzer wie als lässiger Student sagte der Mann bei jedem zweiten Termin, er habe bereits ein vorliegendes Röntgenbild in einem Internet-Medizinportal veröffentlicht - mit der Bitte um Diagnose durch andere User bzw. Experten.

Überbehandlung wird gerne empfohlen

Was der Feldversuch zu Tage brachte: Fast jeder dritte besuchte Zahnarzt (über 32 Prozent) empfahl der Testperson eine Überbehandlung, also eine zusätzliche und nicht erforderliche Behandlung, die natürlich Mehrkosten verursacht. Dies bestätigt das Gefühl vieler Patienten, dass sie – als Laien – einem Zahnarzt recht hilflos "ausgeliefert" sind. Ein Umstand, der freilich auch andere Medizinsparten betrifft.

Zur Erklärung: Vier Referenzzahnärzte hatten vor und nach der Studie den Testpatienten untersucht und nur eine oberflächliche Kariesläsion festgestellt. Eine professionelle Zahnreinigung mit anschließender Versiegelung und der Rat zur besseren Mundhygiene mit gründlichem Putzen wäre erste Wahl gewesen. Die Empfehlung für eine oder mehrere Füllungen, die viele der Zahnärzte im Check umsetzen wollten, wird deshalb von den Autoren der Studie eindeutig als "unnötige Überbehandlung" gewertet.

Dem Patienten wurden Füllungen an 13 unterschiedlichen Zähnen vorgeschlagen. Der Kostenrahmen der jeweiligen Behandlungen hätte sich im Mittel auf 535 CHF belaufen, bei einem Median von 444 CHF. Besonders hoch pokerte ein Zahnarzt, der zwei Füllungen für 1'750 CHF in Rechnung stellen wollte.

Kurios: Überbehandlung eher dem "Normalo" empfohlen

Interessante Frage: Wem empfiehlt der Zahnarzt eher die Überbehandlung? Dem Anzugträger oder dem normalen Typen im Kapuzenpulli? Würde man erwarten, dass der höhere sozioökonomische Status mit mehr Umsatz kombiniert wird, liegt man falsch. In der Studie wurde dem Studenten häufiger die umfangreichere Zahnbehandlung angeraten als dem Profi-Übersetzer. Über diesen bemerkenswerten Umstand können die Studienautoren nur spekulieren.

Fazit: Der Patient mit höherem sozioökonomischen Status und Bildung bekam seltener eine Überbehandlung angeboten (in nur 26,67 Prozent statt 37,78 Prozent der Fälle). Interessant ist aber eine andere Beobachtung: Die Test-Zahnärzte, die keine Überbehandlung offerierten, ließen den Patienten durchschnittlich 9,8 Tage auf einen Termin warten – bei den anderen, die den Extra-Umsatz im Blick hatten, waren es nur 6,2 Tage. Somit hat die Auslastung einer Praxis einen merklichen Einfluss auf die Art der Behandlung.

Überbehandlung ist keineswegs harmlos

Es ist keine harmlose Abzockerei, wenn Patienten unnötige Eingriffe empfohlen werden. Bereits das erste Anbohren eines Zahnes, kann die sogenannte Todesspirale starten, denn ein Kronenrand ist fast nie "bakteriendicht": Kariesbakterien fressen sich unter diese erste Füllung, eine größere folgt, erneut Karies, abermals Bohren, immer geht mehr gesunde Zahnsubstanz verloren. Der Teufelskreis endet – meist nach einigen Jahren, manchmal erst nach Jahrzehnten – mit Zahnkronen, Wurzelbehandlungen und oft mit Zahnverlust. Bei Brücken können gleich zwei benachbarte Zähne zusätzlich zerstört werden, da sie abgeschliffen werden. Das Risiko für Wurzelschäden steigt auf zehn Prozent.

Das Problem ist nicht neu

Margrit Kessler, Präsidentin der Stiftung Patientenschutz war nicht überrascht: «Es ist bekannt, dass Zahnärzte viel zu schnell teure Behandlungen vornehmen, die nicht nötig sind. Das perfide daran ist, dass es viele Leute nicht merken.»

Wie ist die Diagnose Ihres eigenen Zahnarztes zu bewerten?

Vertrauen haben und an etwas glauben sind zwei Seiten einer Medaille, man weiß es nicht. Wenn Sie sicher sein wollen, bleibt nur eine fundierte zweite Meinung bei einem anderen Zahnarzt einzuholen - die auch Krankenkassen fordern und bezahlen. Lesen Sie hier auch worauf Sie achten müssen und welche Sparpotenziale bei größeren Zahnersatzbehandlungen, z.B. Implantaten, vorhanden sind.


Aktuell äußern sich die Autoren noch nicht zu den Ergebnissen der Untersuchung. Ein Peer-Review der Aktion steht noch aus.

Das Diskussionspapier im Original: "Health Services as Credence Goods: A Field Experiment"

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